GERTRUD WOERMANNS STIFTUNG IM GEDENKEN AN IHREN MANN
Die Stiftung wurde am 5. März 1912 von Gertrud Woermann in Gedenken an ihren Mann Adolph Woermann (1847–1911) errichtet und bis zu ihrem Tode 1945 in seinem Sinne geprägt.
GESCHICHTE
In den Anfangsjahren setzte die Stiftung zwei große Projekte um: Zum einen das Schullandheim Wedel, welches über viele Jahrzehnte bedürftigen Schülern Erholung und wertvolle Naturerfahrungen bot.
Zum anderen ermöglichte eine Großspende – finanziert aus dem Verkauf des Wohnhauses von Adolph Woermann – den Bau des Adolph-Woermann Hauses der Stiftung Seefahrtsdank am Altonaer Elbhang. Seit den wirtschaftlich desolaten Jahren nach dem Ersten Weltkrieg bis heute bietet das Haus im Ruhestand befindlichen Kapitänen und deren Witwen eine auskömmliche Bleibe und Heimat.
Über 50 Jahre führten Sabine und Heinrich Woermann die Arbeit der Stiftung fort. Mit persönlichem Einsatz und menschlicher Nähe ermöglicht sie Stipendien und Nothilfe für Schüler, Auszubildende und Studenten unterschiedlichster Fachrichtungen auf verschiedenen Kontinenten.
GERTRUD WOERMANN (1863–1945)
Gertrud Woermann wurde 1863 als Tochter des hanseatischen Gesandten Krüger geboren. Auf einem Geburtstagsempfang von Fürst Bismarck lernt sie als 22-Jährige Adolph Woermann kennen, dessen erste Frau Ella früh verstorben war.
Nach der Heirat 1885 steht sie, den Konventionen der Zeit entsprechend, ihrem Mann bei seinen umfangreichen gesellschaftlichen Verpflichtungen zur Seite, führt den repräsentativen Haushalt und wirkt als liebevolle Mutter ihrer Kinder und Stiefkinder.
Als wichtige Mitglieder der hamburgischen Gesellschaft pflegte das Ehepaar Woermann regelmäßigen Umgang mit Künstlern, Wissenschaftlern und Politikern und unterstützte zahlreiche Zwecke des Gemeinwohls.
Eine besondere Rolle im Familienleben spielte dabei stets die Kunst. Ihre Schwägerin Marie Woermann lebte als Malerin und Grafikerin in Hamburg. Karl Woermann, der ältere Bruder Adolphs, war ein bedeutender Kunsthistoriker und lange Jahre Direktor der Dresdener Gemäldegalerie. Gertrud Woermann unterstützte unter anderem die Bildhauerin Clara Rilke-Westerhoff, ließ sich vom Mitbegründer der Künstlerkolonie Worpswede, Fritz Mackensen, portraitieren und sorgte dafür, dass ihre Kinder von verschiedenen Künstlern Unterricht erhielten. Neben ihrer Tochter Irma, die im Briefkontakt mit Rainer Maria Rilke stand, war es vor allem ihre Tochter Hedwig Woermann, die ihr Leben ganz der Kunst verschrieb. Stets gefördert und bewundert von ihren Eltern lebte Hedwig Woermann ab 1899 zunächst in der Künstlerkolonie Worpswede und anschließend in Paris, Rom und Wustrow. Als erfolgreiche Malerin und Bildhauerin arbeitete sie unter anderem mit Ottilie Reylaender und Paula Modersohn-Becker zusammen.
Gertrud Woermann erfüllte in ihrem langen Leben zum einen die ihr zugedachte Rolle als Ehefrau und Haushaltsvorstand, war aber zugleich karitativ und intellektuell engagiert und weltoffen. So reiste sie entgegen den Konventionen mit ihrem Mann auf die Kanarischen Inseln und bis nach Swakopmund und besuchte noch bis ins hohe Alter ihre Söhne in Afrika.
Nach dem Tod ihres Mannes gründete sie 1912 unsere Stiftung und unterstützte diese bis zu ihrem Tod 1945 durch großzügige Schenkungen. Auch hier zeigte sich die Weitsicht und Zukunftsgewandtheit von Gertrud Woermann: Dienten die meisten Stiftungen hanseatischer Großbürger der Bewahrung lokaler Kulturgüter oder der Versorgung bedürftiger Senioren, so war ihr Blick auf die Zukunft gerichtet. „Tüchtigen jungen Menschen“ sollten unabhängig von Herkunft oder Profession eine Berufsausbildung ermöglicht werden, damit sie einmal selbst zu einer besseren Gesellschaft beitragen könnten. Seit über einhundert Jahren ist dieses Vertrauen in die Gestaltungskraft der nächsten Generation unser Ansporn und Leitbild.
ADOLPH WOERMANN (1847–1911)
Die Stiftung erinnert an das Leben und Wirken von Adolph Woermann durch praktische Hilfe für junge Menschen im Hier und Jetzt. Diese Form des tätigen Gedenkens entspricht seinem anpackenden Wesen ebenso wie dem Willen der Stifterin Gertrud Woermann und ist im Stiftungszweck fixiert.
Unsere praktische humanitäre Arbeit steht im Kontrast zu 140 Jahren politischer und historischer Auseinandersetzung mit Adolph Woermann als Person der Zeitgeschichte.
LEBEN UND WIRKEN
Adolph Woermann (1847-1911) war Hamburger Kaufmann, Reeder und Politiker.
Seit 1874 war er Teilhaber des Handelsunternehmens C. Woermann, welches sein Vater Carl bereits 1837 gegründet hatte. Er baute die seit 1885 eigenständige Woermann-Linie auf und war Mitgründer und Vorsitzender des Aufsichtsrates der Deutsche Ost-Afrika Linie.
In seinem politischen Leben wirkte er unter anderem als Präses der Hamburger Handelskammer (1883–1884 und 1899–1902), als Mitglied der Hamburgischen Bürgerschaft (1880–1904) und als Abgeordneter der Nationalliberalen Partei im Reichstag in Berlin (1884–1890).
Adolph Woermann war zudem Vorsitzender des Aufsichtsrates der Werft Blohm & Voss, stellvertretender Vorsitzender des Aufsichtsrates der Reederei Hamburg-Süd und der Kosmos-Linie sowie im Aufsichtsrat der Norddeutschen Versicherungs-Gesellschaft und der Dynamit-Aktiengesellschaft. Weiterhin war er Mitglied des Zentralausschusses der Reichsbank und beteiligte sich an der Gründung der Hammonia-Stearin-Fabrik und der Levante-Linie.